Bahnsteig 9 ¾ auf dem Nürnberger Hauptbahnhof? Nicht ganz, aber ähnlich unglaublich.
Wer in der Mittelhalle von den Gleisen her ankommt, kennt sicher die beiden Rolltreppen: Die erste, laaaaange Rolltreppe führt nach unten zur U1. Einige Meter weiter führt eine nicht ganz so lange Rolltreppe ins Untergeschoss zur U2, zu einer Ladenpassage und zur Bahnhofsmission. Zwischen den beiden Ebenen ist ja ein gewisser Abstand. Was befindet sich da eigentlich dazwischen? Erde? Beton? Oder einfach: Nichts?
Die Klasse 7d konnte dieses Rätsel am Projekttag vom 25.07.2022 lösen. Wenn man nämlich die Treppe zur Königstorpassage hinabsteigt und dann nach rechts abbiegt, steht man vor einer auffallend unauffälligen und unbeschrifteten Tür. Und was dahinter liegt, konnten wir uns in den kühnsten Träumen nicht vorstellen: Es ist der Eingang zum „Bahnhofsbunker“. Und der erstreckt sich eben zwischen den beiden Ebenen der U1 und U2. Über eine Luftschleuse, die sich im Notfall automatisch geschlossen hätte, sobald 2.500 Personen hindurchgegangen wären, gelangten wir in den verschachtelten und atemberaubend großen Bunker, der Mitte der 1970er Jahre beim U-Bahn-Bau sozusagen vor aller Augen, aber doch im Geheimen angelegt worden war. Als Teil eines Systems von 20 sogenannter A-B-C-Bunker (für „atomar-biologisch-chemisch“) war er bis in die 90er Jahre im Betrieb, kam aber glücklicherweise nicht zum Einsatz. Hoher Unterhaltungsaufwand, eine gesunkene Bedrohungslage, aber auch neue Erkenntnisse zum Schutz vor den A-B-C-Waffen führten zum Ende. Die Geheimhaltung jedoch ging noch lange weiter. Seit kurzem wird der Bunker vom Förderverein Nürnberger Felsengänge für Gruppen präsentiert.
So konnten die Schülerinnen und Schüler der 7d erleben, wie es sich angefühlt hätte, wenn man für 14 Tage unter der Erde eingeschlossen ist. Wir durften die persönlichen Gegenstände in die Hand nehmen, die jeder Schutzsuchende bekommen hätte (ein Handtuch, eine Rolle Klopapier, einen Jogginganzug und eine Decke), Platz nehmen auf den Liegen, die sich wie Stockbetten mit fünf (!) Ebenen durch den Bunker zogen und einen Blick in die Toiletten, die Waschräume und die karge Küche werfen. Auch die totale Finsternis (nur mit grünen Luminiszenzstreifen erhellt) erlebten wir und wagten es nicht, uns vorzustellen, wie es ist, zwei Wochen lang nur Tütensuppe zu essen.
Nach den zwei Wochen hätte man den Bunker allein schon deswegen verlassen müssen, weil der Generator für Luftzufuhr, Wasserpumpe und Strom keinen Sprit mehr gehabt hätte. Wir mussten bzw. durften ihn bereits nach einer (sehr kurzen) Stunde verlassen, beeindruckt, aber auch mit einem flauen Gefühl im Magen.
Martin Klinger