„Fröhlich, beinahe unbeschwert“ beschreibt der Pianist Christoph Orendi den 1. Satz von Viktor Ullmanns 7. Klaviersonate, die dieser kurz vor seiner Deportation nach Ausschwitz im Durchgangslager Theresienstadt komponierte. Wie ein Mensch, der nicht wisse, ob er den nächsten Tag erlebe, so eine Musik schreiben könne, sei unbegreiflich, bemerkt Orendi und man erkennt in den überraschten Gesichtern der Zuhörer das gleiche Erstaunen.
In dem Gesprächskonzert „Wiederentdeckt“ im Musiksaal der Realschule am Europakanal stellt Christoph Orendi den Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klassen Werke des in Vergessenheit geratenen und in der NS-Zeit verfolgten Komponisten Viktor Ullmann (1987-1944) und des Komponisten Karl Amadeus Hartmann (1905-1963) vor. Hartmann, der das Ende des Zweiten Weltkrieges in seinem Versteck am Starnberger See erlebte, komponierte seine Klaviersonate „27. April 1945“, mit dem Bild vorbeiziehender, getriebener KZ-Häftlinge vor Augen, als anklagenden Trauermarsch. Die Musik beschreibt das „unendliche Elend“ (Hartmann) der Todesmärsche. Dazwischen ertönt immer wieder der Aufschrei des Erschreckens, in lauten, dynamischen Ausbrüchen.
Gegensätzlich erscheint Viktor Ullmanns siebte und letzte Klaviersonate, die dieser wenige Wochen vor seiner Deportation nach Ausschwitz auf der Rückseite herumliegender Deportationslisten schrieb. Eine lustige, fast tänzerische Musik ertönt, als Orendi die Klaviersonate anstimmt. Am Ende bleibt die Gewissheit, dass Musik selbst im Angesicht von Tod und Vernichtung den Glauben an das Schöne und Gute im Menschsein ausdrücken kann.
Christoph Orendi wurde am 8. August 1987 in Bad Tölz geboren und war von 1994 bis 2002 Mitglied im Tölzer Knabenchor. Seit 2009 engagiert er sich kontinuierlich als Konzertpianist, nachdem er von 2013 bis 2017 sein Klavierstudium im künstlerisch-pädagogischen Hauptfach an der Hochschule für Musik Nürnberg abgeschlossen hat.
Die Veranstaltung wurde von unserer SOR-Gruppe organisiert und vom Bundesprogramm der Bundesregierung - "Demokratie leben" - unterstützt.
Laura Kemp-Krämer