Lange hatte die Klasse 9 b ihrer Berlinfahrt entgegengefiebert und schon Pläne für die Freizeit gemacht. Dann erreichte uns folgende Meldung: „Vom 29.2. bis 1.3. streiken die öffentlichen Verkehrsmittel. Nur die S-Bahnen fahren.“ Wer die Hauptstadt kennt, weiß dass sich viele Sehenswürdigkeiten nur mit der S-Bahn schwer erreichen lassen.
Trotzdem ließen sich die Schüler:innen mit ihrer Klassenlehrerin Frau Menzinger und Herrn Saffer ihre Vorfreude nicht vermiesen, denn sie hatten Glück im Unglück. Am Mittwoch wurde noch nicht gestreikt und es war nach dem Einchecken im Hostel erst einmal Freizeit angesagt. Diese wurde von den meisten Schüler:innen auch intensiv genutzt. Eine Gruppe erkundete auf eigene Faust intensiv die Innenstadt - vom Alexanderplatz, dem Fernsehturm und dem Mahnmal in der Rosenthalstraße bis hin zur Museumsinsel. Das Pergamonmuseum ist zur Zeit leider geschlossen. Wer dort einen Besuch plant, muss sich leider bis 2027 gedulden.
Andere Schüler:innen verbrachten ihre Freizeit auch einfach mit Shoppen oder erkundeten die kulinarischen Hotspots Berlins. Die Empfehlung des kanadischen Freundes eines Schülers, der lange Zeit in Berlin gelebt hat, erwies sich als Volltreffer und die Curry-Wurst ist in Berlin auch nicht zu verachten. Am Abend besuchten wir das Kabarett „Die Stachelschweine“ - eine neue kulturelle Erfahrung. Das Programm war recht anspruchsvoll und man musste die politischen Hintergründe kennen, um die Gags zu verstehen. Das gelang vielen Schüler:innen gut.
Am nächsten Tag stand die traditionelle Stadtrundfahrt auf dem Programm. Die Stadtführerin Angie gab uns mit ihrem typischen Berliner Humor viele Hintergrundinformationen zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Am berühmten ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie wurde ein kurzer Halt eingelegt, damit Schüler:innen und Lehrkräfte ihre Insta-Stories mit Fotos vor geschichtsträchtiger Kulisse füllen konnten.
Am Nachmittag ließen wir uns im Bundestag auf der Tribüne ausführlich erklären, wie demokratische Wahlen ablaufen und wo im Plenarsaal der Kanzler sitzt. Die Kuppel bot einen beeindruckenden Blick über Berlin. In der anschließenden Freizeit war, was die öffentlichen Verkehrsmittel anging, Improvisationstalent gefragt. So mieteten sich einige Schüler einfach E-Scooter, um Berlin zu erkunden.
Bevor wir am Freitag wieder nach Erlangen fuhren, stand noch ein weiteres Zeugnis der deutschen Geschichte auf dem Programm - der "Tränenpalast". Das ist die Ausreisehalle am ehemaligen Grenzübergang Friedrichstraße, von dem die Menschen in den Westen ausgereist sind: Westbürger, die sich von ihren Familien verabschiedeten, Diplomaten, Rentner, die ihre Familien besuchen durften oder Menschen, die einen Ausreiseantrag gestellt hatten. Deshalb sind an diesem Ort viele Tränen geflossen. Frau Menzinger gab in einer Führung einen kurzweiligen Einblick in den Alltag der DDR und konnte auf ein gutes Geschichtswissen der Schüler:innen aufbauen. Diese probierten aus, wie man sich in einer Passkontroll-Kabine fühlt - „Das ist ziemlich beklemmend“ - spekulierten darüber, was sie mitnehmen würden, wenn sie von heute auf morgen ihre Heimat verlassen müssten - Erinnerungsstücke - und erfuhren, warum eine bestimmte Kaffeesorte aus dem Westen im Film „Sonnenallee“ eine wichtige Rolle spielt. Diese wurde neben Kosmetikartikeln auch in den Intershops sehr häufig gekauft.
Abschließend posierten die Schüler:innen in der East Side Galery vor den Überbleibseln der Berliner Mauer. Alle waren sich einig: Die Berlinfahrt war viel zu kurz.
Evelyn Menzinger, Roland Saffer